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Yama & Niyama
Patanjali teilt den Weg zu Yoga ("Yoga ist der Zustand bei dem die Gedanken im Geist zur Ruhe gekommen sind") in acht Stufen (ash-tanga).
Die ersten beiden Stufen sind Yama und Niyama.
Gewöhnt an die christliche Auslegung der Gebote fällt es vielleicht leicht, Yama und Niyama, Gebote für den Umgang mit anderen und sich selbst,
schnell zu übergehen. Dieser lockere Umgang mit diesen Prinzipien ist verständlich, doch
Yama und Niyama sind für Yogis und Yoginis von entscheidender Bedeutung.
Äußerlich kann ich mich auf dem Yogaweg befinden, auch wenn ich diese Prinzipien häufig missachte. Tatsächlich ist es aber so, dass mein Üben
dann einen stark geminderten Wert hat.
Wie sollen wir ruhig sitzen für die Meditation, wenn unser Körper unter schlechter Ernährung leidet?
Wie sollen wir einen ruhigen beinahe unmerklichen Atem haben, wenn wir uns über die Geschehnisse des Tages aufregen?
Wie soll unser Geist ruhig sein, wenn das Gewissen uns unsere Missetaten des vergangenen Tages aus dem Unterbewußtsein hochspült?
Zwanzig Minuten leise mit geschlossenen Augen sitzen und vielleicht eine Traumreise durchleben kann beinahe jeder. Nur eine Meditation
wird das ohne entsprechendes Verhalten im sonstigen Leben eher nicht.
Man sagt, Gott brauche nur ein Gebot, die Menschen aber 10, der moderne "zivilisierte Mensch" tausende. Gottes Gebot ist das der Liebe
(gleichstark zu sich selbst wie auch zu allem anderen). Daraus ergibt sich alles weitere.
Die folgenden Prinzipien Yamas und Niyamas sind deshalb in erster Linie eine Hilfe für Dich, Dein Leben so zu leben, daß Du eine Chance
zu wirklicher Meditation hast.
Yama: Äußeres Verhalten
Mit welchem Verhalten gegenüber meiner Umgebung mehre ich die Qualität, Tiefe und Effektivität meiner Praxis?
Ahimsa: Gewaltlosigkeit
Ich übe keine Gewalt gegen die, die mir friedlich gesonnen sind und ich übe keine Gewalt gegen die, die mir nicht friedlich gesonnen sind;
so mehre ich die Gewaltlosigkeit. (Tao Te King)
Für jedes Wesen gibt es eine Schwelle, an dem es einem Angriff mit Kampf begegnet. Ahimsa heißt sich stetig zu bemühen, diese Schwelle der
eigenen Entwicklung anzupassen und auf immer mehr Angriffe gelassen zu reagieren. Immer häufiger zu erkennen, daß die eigene friedliche Reaktion
sogar für sich selbst die bessere und charakterstärkere Alternative ist, ist eine große Aufgabe.
Am Beginn des Weges steht sicherlich, all denen friedlich zu begegnen, die mir friedlich begegnen. In diesem Sinne gilt es zu prüfen, welche
meiner Bedürfnisse wirklich so wichtig sind, daß ich dafür bereit bin zu töten oder töten zu lassen, zu foltern oder foltern zu lassen.
Fragen, die man sich hier stellen kann sind z.B.:
Ist es wirklich wahr, daß ich weniger kräftig und gesund wäre, wenn ich kein oder viel weniger Fleisch und Fisch äße?
Müssen der nächste Gürtel oder das nächste Paar Schuhe aus Leder gemacht sein?
Wie reagiere ich auf Menschen und Tiere, die meinen Zielen gerade unbedacht im Wege stehen?
Beginne mit den einfach sichtbaren Dingen. Wenn ich ein Käfighuhn esse, muß es vorher im Käfig gelitten haben und für
mich getötet worden sein.
Gewaltlosigkeit bedeutet aber auch, auf diesem Weg nachsichtig mit mir selbst und besonders mit anderen zu sein. Weder die eigene Entwicklung,
noch die anderer wird nachhaltig sein, wenn Sie unter Zwang erfolgt.
Satya: Wahrhaftigkeit
Wahrhaftigkeit bedeutet nicht nur die Wahrheit zu sagen, sondern diese auch nicht bewußt zu nutzen, um bestimmte Ergebnisse zu erreichen.
Derjenige, der am häufigsten durch mangelnde Wahrhaftigkeit versucht wird zu hintergehen, ist man selbst. Sagt mir nicht hin und wieder mein
Unterbewußtsein, daß ich nicht recht handele? Dann schaltet sich mein Ego ein und diskutiert das Unterbewußtsein nieder und ich kann mein
Verhalten dann gut heißen.
Verdrehe die Wahrheit nicht, weil Deine persönlichen oder scheinbar übergeordneten Ziele dies rechtfertigen!
Wahrhaftigkeit ist eine bedondere Herausforderung an den Charakter.
Asteya: Nicht stehlen
Nicht zu stehlen ist ein besonders umfangreicher Schritt auf dem Weg. Das Delikt im juristischen Sinne zu unterlassen versteht sich
beinahe von selbst. Tiefer geht es aber, wenn wir berücksichtigen, das stehlen all das ist, was mir nicht freiwillig gegeben wird, oder wo
eine Scheinfreiwilligkeit ausgenutzt wird.
Fragen, die man sich hier stellen kann sind z.B.:
Bediene ich mich, um etwas zu erhalten, einer emotionalen Erpressung, Drohung oder Scheinregeln? Beispiele wären: Wenn Du das nicht willst oder machst, dann lädst Du Schuld auf Dich!
Wenn Du mir das nicht geben willst, dann...! Du hast Dich verpflichtet, mir das zu geben!
Würde das, was ich essen möchte, freiwillig in den Kochtopf springen? Würde das Tier mir seine Haut freiwillig geben?
Brahmacharya: Sich auf den spirituellen Weg konzentrieren
Bringt mich mein Verhalten auf dem spirituellen Weg voraussichtlich weiter oder ist es eher eine Ablenkung? Häufig wird an dieser Stelle
über sexuelle Enthaltsamkeit gepredigt. Ein Gedanke, der einem Tantriker sicher völlig fremd ist. Wenn ich das Wunder im anderen sehe und
mein Umgang dieses Ausdrückt, kann das genauso ein guter Schritt auf dem Weg sein, wie für jemand anders, enthaltsam zu sein.
Aparigraha: Nicht Horten
Für alles was Du besitzt, pflegen oder aufrecht erhalten musst, benötigst Du einen Teil Deiner Aufmerksamkeit. Willst Du Dich auf den
spirituellen Weg konzentrieren, macht es Sinn, solche Verpflichtungen so gering wie möglich zu halten und an denen die sinnvoll sind nicht
zu stark zu haften. Denn panta rhei - alles fließt und eines Tages wirst Du ohnehin alles loslassen.
Unterschiedliche Dinge und Beziehungen verlangen unterschiedliche Kapazitäten von Dir. Sei Dir bewußt, das alles was Du besitzt,
einen Teil von Dir mit Beschlag belegt.
Mache Dir bewußt, das forderndste Hindernis Deiner eigenen Entwicklung sind Deine Ziele!
Niyama: Inneres Verhalten
Saucha: Sauberkeit
Samtosha: Genügsamkeit
Tapas: Reinige Deinen Körper
Svadhyaya: Hinterfrage Dich selbst
Ishvarapranidhana: Habe Gottvertrauen
Zum Abschluss noch etwas grundsätzliches
Im 21. Jahrhundert ist es nicht leicht überhaupt zu erkennen, in wie vielen Süchten ich gefangen bin. Vielleicht fühle ich mich häufig
deprimiert, habe Kopf- oder Rückenschmerzen, fühle mich überlastet, ausgebrannt. Aber daraus werde ich nicht schließen, daß ich mich
schlecht ernähre, oder daß ich mich mit krank machenden Aktivitäten umgebe.
Ich werde ja täglich motiviert mich genau so zu verhalten. Werbung und große Teile der Wissenschaft bestätigen mich. Aber jetzt ist mein
Verstand gefragt. Wenn ich doch alles richtig mache, warum geht es mir dann nicht besser?
An dieser Stelle beginnt für mich ein langer aber erstaunlich erkenntnisreicher Weg.
Der Weg der Askese!? Aber was heißt Askese. Für mich heißt Askese alles wegzulassen, was meinem Körper oder Geist schadet. Für andere
Menschen kann es sich leicht befremdlich anhören, wie ein solcher Asket lebt. Allerdings ist das spannende, daß ich dabei keine Mangel leide,
sonder selber heil werde.
Den Weg der Askese gehen!
Bemühe Dich um diese Prinzipien um deinetwillen, dann bist Du auf dem Yogaweg.
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